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Italien will mit Zweit-Währung seine Finanzmisere stoppen

Bei Asterix und Obelix heißt es so schön: “Die spinnen die Römer!“ Aber im richtigen Leben gibt es nun Aussagen der italienischen Regierung, dass man staatliche Schuldscheine einführen will, die auch als Zahlungsmittel von den Bürgern eingesetzt werden können. Damit würde quasi eine Parallel-Währung eingeführt, die in Konkurrenz zum Euro stehen und Italien finanziell von der Europäischen Zentralbank unabhängig machen würde . Kann so etwas funktionieren oder ist die Idee völlig „gaga“?

Yanis Varoufakis hat es als Finanzminister Griechenlands versucht. Arnold Schwarzenegger hat es als Gouverneur von Kalifornien getan. Und jetzt verbreiten auch italienische Politiker wie der neue Innenminister Matteo Salvini eine Idee, die das Geld- und Währungssystem umkrempelt. Die Rede ist von der Ausgabe staatlicher Schuldscheine, mit denen die Regierung ihre Zahlungsrückstände und Ausgabenverpflichtungen begleicht. IOU („I owe you“) nannte Schwarzenegger die Schuldscheine, mit denen er im Juli 2009, als der Sonnenstaat in eine Haushaltskrise rutschte, Steuern erstattete und Rechnungen von Lieferanten beglich. Mit den Papieren schuf sich die Regierung ihr eigenes Geld, weil ihr die Gläubiger keines mehr leihen wollten. In Griechenland blieb es bei dem bloßen Plan, staatliche Schuldscheine auszugeben. Als absehbar war, dass Finanzminister Varoufakis sie als Parallelwährung plante, um Griechenland den Austritt aus der Euro-Zone zu ermöglichen, drängte Regierungschef Alexis Tsipras ihn auf Druck von Frankreich und Deutschland aus dem Amt.

Historische Vorbilder

In den vergangenen Tagen hat nun Italiens neue Regierung die Idee ventiliert, eigene Schuldscheine in kleiner Stückelung von 5 bis 500 Euro einzuführen, damit „Italien nicht mehr auf Knien um Bargeld von der Europäischen Zentralbank bitten muss“, so Claudio Borghi, der Wirtschaftssprecher der Lega. Die Pläne haben nicht nur die Finanzmärkte in Unruhe versetzt, sondern auch in Ökonomenkreisen eine alte Debatte wiederbelebt: Sind Parallelwährungen eine Lösung für Länder, die sich in einer Krise befinden? Die Vorstellung, zwei Währungen im Portemonnaie herumzutragen und bei bargeldlosen Käufen mit zwei Währungen zu kalkulieren, erscheint zunächst abstrus. Ökonomisch betrachtet ist sie es auch. Denn Geld ist ein Netzwerkgut. Je mehr Menschen es verwenden, desto nützlicher ist es. Gleichwohl hat es in der Geschichte immer wieder Parallelwährungen gegeben, etwa im antiken Griechenland, im Mittelalter und von 1650 bis 1850 in China. „Parallelwährungen entstehen vor allem, wenn das gesetzliche Geld etwa wegen einer Kreditklemme zu knapp ist — oder wenn es zu viel davon gibt und hohe Inflation entsteht“, sagt Dirk Meyer, Ökonom an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. So werden etwa der US-Dollar in Lateinamerika und der Euro in Osteuropa als Parallelwährungen verwendet.

In Westeuropa gab es in den inflationslastigen Siebzigerjahren Überlegungen von Ökonomen, eine kaufkraftgesicherte Parallelwährung in Form eines indexierten Währungskorbs einzuführen. Dem lag die Idee des Wirtschaftsnobelpreisträgers Friedrich August von Hayek (1899—1992) zugrunde, dass sich in einem freien Währungswettbewerb ohne staatlichen Annahmezwang das gute Geld gegen das schlechte durchsetze. Eine kaufkraftgesicherte Parallelwährung, so die Überlegungen, setzt die Zentralbanken unter Druck, die Kaufkraft des Geldes stabil zu halten, weil es sonst von der Parallelwährung verdrängt wird. Anders sieht es aus, wenn der Staat die Menschen zwingt, eine überbewertete Währung anzunehmen. Der Brite Thomas Gresham (1519—1579), der Gründer der Londoner Börse, beobachtete vor fast 500 Jahren, dass Käufer mit minderwertigen Goldmünzen zahlten, wenn die Regierung die Verkäufer zwang, diese Münzen zum selben Kurs anzunehmen wie hochwertige Münzen. Schlechtes Geld, so das nach Gresham benannte Gesetz, verdrängt das gute Geld aus dem Umlauf: Die guten Münzen werden gehortet. Es hängt also vom Staat ab, welches Geld sich durchsetzt.

Durch die Euro-Krise erlebt die Idee der Parallelwährung nun eine Renaissance. Doch anders als in den Siebzigerjahren geht es heute nicht darum, durch Wettbewerb den Geldwert zu stabilisieren. Vielmehr sollen Parallelwährungen den Südländern ermöglichen, innerhalb der Währungsunion abzuwerten und so ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, die sie durch zu hohe Lohnabschlüsse verloren haben. Im Idealfall, so Ökonom Meyer, „kommen die Krisenländer wieder auf die Beine, ohne dass man den Euro abschafft oder die Euro-Zone zu einer Transferunion umbaut“. Der langjährige ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sieht hingegen in einer Parallelwährung ein politisches Kampfinstrument. Die Idee der Parallelwährung stelle „ein erhebliches Drohpotenzial bei den Verhandlungen über die vom französischen Präsidenten Macron geforderte Transferunion dar. Geld her, oder wir treten aus — das könnte die versteckte Drohung künftiger italienischer Regierungen sein.“ Die Ausgabe staatlicher Schuldscheine dürfte gleichwohl der falsche Weg sein. Denn sie sind kein Geld, sondern ein Geldsurrogat. Ihr Marktwert bestimmt sich durch die Bonität der Regierung. „Um Schuldverschreibungen abzuwerten, müsste die Regierung ihre eigene Bonität verschlechtern“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Darunter litten auch die Staatsanleihen, die sich im Besitz der Banken befinden. Die Geldhäuser gerieten dann in die Schieflage, es käme zum

Bank-Run, das Finanzsystem kollabierte.

Auch der Fall Kalifornien macht wenig Hoffnung, dass ein Schuldscheinsystem funktioniert. Bei den Bürgern fand das Schwarzenegger-Projekt wenig Anklang. Die Banken lehnten nach kurzer Zeit die Annahme von IOUs ab, die Bürger konnten sie daher nur gegen hohe Abschläge an Investoren verkaufen. Als sich Kongress und Gouverneur doch noch auf einen Haushalt einigten, kaufte die Regierung die IOUs zurück — gegen Dollar.

Nacht-und-Nebel-Aktion nötig

Die Krisenländer müssten daher echte Parallelwährungen in Umlauf bringen, um abzuwerten. Soll dabei ein Ansturm auf die Banken unterbleiben, wäre es notwendig, die Konten der Bürger in einer Nacht-und-Nebel-Aktion auf die Parallelwährung umzustellen oder Kapitalverkehrskontrollen einzuführen. Alternativ wäre es möglich, alle laufenden Zahlungen wie Löhne und Gehälter auf die neue Parallelwährung umzustellen, die Spar- und Sichteinlagen der Bürger bei den Banken jedoch weiter in Euro zu führen. Allerdings müssten die Banken dann für die Verluste entschädigt werden, die ihnen durch die Umstellung ihrer Forderungen auf die abwertende Parallelwährung entstehen.

Bleibt die Frage, ob Abwertungen ein geeignetes Rezept gegen die Probleme der Südländer sind. Die Erfahrungen Italiens in den Siebziger- und Achtzigerjahren lassen daran zweifeln. Damals verteuerten sich durch die Lira-Abwertungen die Importe. Die Gewerkschaften reagierten mit höheren Lohnforderungen, die die Unternehmen in den Preisen an ihre Kunden weitergaben. Die abwertungsbedingte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit war wieder perdu. Abwertungen, sagt Commerzbanker Krämer, seien in erster Linie eine „polit-ökonomische Strategie, um die Anpassungskosten einer verfehlten Lohnpolitik temporär zu verschleiern“. Gut möglich, dass Parallelwährungen den Euro-Ausstieg sogar beschleunigen, statt ihn zu verhindern. So ist der Euro laut EU-Vertrag das einzige gesetzliche Zahlungsmittel in der Währungsunion. Führt ein Land eigenmächtig eine Parallelwährung ein, könnte die EZB die Banken des Landes von ihren Refinanzierungsgeschäften abklemmen. Es wäre der ultimative Rauswurf aus der Euro-Zone. Und die Parallelwährung würde dann über Nacht zur neuen Hauptwährung.

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