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Windkraft in der Krise – 1000 Meter für mehr Akzeptanz?

Die Bundesregierung diskutiert momentan eine 1000-Meter-Abstandsregel für Windkraftanlagen. Demnach soll Siedlungen ab fünf Häusern ein Mindestabstand von einem Kilometer zum nächsten Windrad gewährleistet werden. Der Vorschlag dazu kam vom Wirtschaftsministerium und könnte für eine Halbierung der potentiellen Flächen für Windanlagen sorgen. Die Pläne der Großen Koalition sorgen für massive Kritik aus der Branche und von Klimaschützern. Die Umsetzung der neuen Regelungen könnten die Energiewende gefährden, so die Befürchtung.

In diesem Jahr kam der Bau von Windrädern nur sehr schleppend voran. Gingen im Jahr 2017 noch 1.800 Windräder ans Netz, waren es in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 nur noch 150. „Gründe für den schleppenden Ausbau sind vor allem lange Genehmigungsverfahren, zu wenige Flächen, Naturschutz und Klagen der Anwohner“, erklärt Gerard Meindertsma, Geschäftsführer des Windkraftbetreibers WestWind Energy.

Die Krise der Windkraftindustrie in Deutschland zeichnet sich auch auf dem Arbeitsmarkt schon länger ab. Das Unternehmen Enercon hat erst vor Kurzem 3.000 Arbeitsplätze streichen müssen. Auslöser der Probleme ist die Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Seit 2017 werden Fördergelder anders verteilt, zulasten der Windkraftbranche. Zudem gibt es seitdem eine jährliche Deckelung. „Der Ausbau verlangsamte sich entsprechend, wodurch die Energiewende für die Bundesregierung günstiger wurde“, kommentiert WestWind Energy-Chef Gerard Meindertsma.

Sollte die Politik die Abstandregeln wie geplant verabschieden, droht der Zukunftsindustrie Windkraft dasselbe Schicksal wie der einst boomenden Solarindustrie. „Anstatt dem Ausbau der Windenergie wieder in die Spur zu helfen, werden der Branche weitere Steine in den Weg gelegt“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, der Deutschen Presse-Agentur.

Auch Jörg Osterholz, Geschäftsführer des Windkraftbetreibers WestWind Energy ärgert sich über die aktuellen politischen Entwicklungen. „Es werden Milliarden zum Schutz von 8.000 Arbeitsplätzen in einer Dinosauriertechnologie wie der Förderung von Braunkohle ausgegeben, während durch überbohrende Regulierung eine Zukunftsindustrie wie die Windkraft in Deutschland mutwillig zerstört wird“, lautet das Fazit des Windkraft-Experten.

Mehr Abstand als Fläche

Eine Studie des Umweltbundesamts zeigt wieviel Fläche für Windparks in Deutschland theoretisch zur Verfügung stünden. Dabei werden deutliche Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen deutlich. Hessen oder Schleswig-Holstein geben beispielsweise zwei Prozent der Landesfläche für Windanlagen frei, während Bayern nur 0,1 Prozent zur Verfügung stellt. Das liegt daran, dass Bayern schon eine Abstandsregel für Windräder hat. Diese sogenannte 10-H-Regel besagt, dass Windkraftanlagen mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von der nächsten Siedlung entfernt sein müssen, wodurch kaum Flächen in Frage kommen. „Bei der Förderung der Windenergie sehen wir ein klares Nord-Süd-Gefälle“, kommentiert Gerard Meindertsma, Geschäftsführer von WestWind Energy.

Das Bundesumweltamt schließt aus seiner Studie: „Pauschale Abstandsregelungen schränken die Flächenkulisse massiv ein und führen nicht zwingend zu einer Erhöhung der Akzeptanz.“ Mit einer bundesweiten 1000-Meter-Abstandsregel könnten sich die potenziellen Flächen für neue Windanlagen fast halbieren. Das Energieziel der Bundesregierung, 65 Prozent des Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, wäre damit hinfällig.

Gerard Meindertsma, Geschäftsführer von WestWind Energy plädiert aus diesem Grund für eine sinnvollere und realitätsnähere Erneuerung des EEG: „Wenn hier keine Planungssicherheit kommt, wird Deutschland die gesteckten Ausbauziele nie erreichen.“ Nur mit einem Mix aus allen erneuerbaren Energien und einer Investierung in die Weiterentwicklung von Speichermedien könne in Zukunft eine vollkommene Versorgung mit erneuerbarer Energie gewährleistet werden.

1000 Meter für die Sorgen der Bürger

Wirtschaftsminister Peter Altmaier interessiert sich allerdings weniger für die Sorgen der Industrie, als die Befürchtungen von Bürgerinitiativen und Umweltschützern, die gegen neue Windkraftanlagen ins Feld ziehen. Die geplanten Abstandsregelungen kommentierte er bei Twitter: „Indem wir die Sorgen von Millionen Bürgern ernst nehmen, schaffen wir Voraussetzungen dafür, dass wieder mehr Windparks genehmigt und gebaut werden können.” Nach Meinung des Ministers handelt es sich wohl um einen guten Kompromiss, denn Bürgerinitiativen kritisierten den Abstand von 1.000 Metern als zu gering.  Die Initiative „Rettet Brandenburg“ fordert beispielweise einen Mindestabstand vom zehnfachen der Höhe, denn die Lärm- und Infraschallemissionen mache Menschen und Tiere krank.

Laut einer Studie des Umweltpsychologen Johannes Pohl, der mit US-amerikanischen Forschern internationale Daten ausgewertet hat, tragen größere Abstände allerdings nicht zu einer Lösung der Konflikte um die Windanlagen bei. Wichtiger als ein großer Abstand sei eine transparente Planung und finanzielle Beteiligung der Anwohner an den Erlösen der Windkraftanlagen. WestWind-Chef Meindertsma setzt deshalb auf Aufklärung: „Je besser die Menschen im Vorfeld über die Chancen und Risiken einer neuer Windkraftanlage informiert und bei der Planung eingebunden werden, desto weniger Widerstände stellen wir im Alltag fest.“

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