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Bedingungsloses Grundeinkommen als Retter der Coronakrise?

Das bedingungslose Grundeinkommen soll ermöglichen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin die gleiche staatliche finanzielle Unterstützung erhält. Ohne Gegenleistung. Bedingungslos eben, wie der Name schon sagt. Einige Projekte in den Niederlanden, Finnland und Kenia probieren es bereits, in Deutschland wird immer wieder darüber diskutiert, vor allem jetzt in der Coronakrise. Aber was genau hat es mit diesen Projekten auf sich und stellt das bedingungslose Grundeinkommen tatsächlich eine Möglichkeit dar oder handelt es sich hierbei um utopische Wunschvorstellungen?

Projekte in Finnland und Kenia führen zu verbesserter Gesundheit

Die Finnen starteten 2017 mit dem größten europäischen Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen: 2000 zufällig ausgewählte Arbeitslose im Alter von 25 bis 58 Jahren bekamen monatlich ein Einkommen im Wert von 560€. Ohne Anträge, Formulare oder Steuern, ohne jegliche Bürokratie eben. Sie durften außerdem so viel sie wollten dazuverdienen. Das Ergebnis ist eindeutig: Den teilnehmenden Arbeitslosen ging es psychisch deutlich besser als vorher. Sie waren im Schnitt zufriedener, fühlten sich sicherer und litten weniger unter Stress. Doch ein gewünschter Effekt ist ausgeblieben. Das Grundeinkommen half den Teilnehmenden nicht dabei eine Arbeitsstelle zu finden. Es wurde vorher angenommen, die 560€ im Monat wären ein Anreiz dazu, das Geld zu vermehren und nach einem Job zu suchen. Nach dem Experiment gab es tatsächlich weniger Arbeitslose, aber das kann nicht allein auf das bedingungslose Grundeinkommen zurückgeführt werden. Minna Ylikännö, die Forschungschefin erklärte der Tagesschau: „Im Januar 2018 wurde ein Aktivierungsmodell als Teil des Arbeitslosensystems eingeführt, das vor allem diejenigen betraf, die kein Grundeinkommen bezogen. Das macht die Beurteilung des Beschäftigungseffekts schwierig“. Die wichtigste Frage, ob das Grundeinkommen die Arbeitslosen zu mehr Arbeit oder überhaupt Arbeit anregt, konnte also nicht wirklich beantwortet werden.

In Kenia findet das weltweit größte Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen statt. Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation GiveDirectly sorgt dafür, dass rund 20.000 Menschen pro Monat umgerechnet 20 Euro bekommen, ohne irgendwelche Auflagen. Das gespendete Geld wird an die Bürger*innen per SMS geschickt und sie dürfen es so ausgeben wie sie wollen. Ian Bassin, der Chief Operating Officer bei GiveDirectly, erklärt, dass Armut nur ein Mangel an Geld und Ressourcen darstellt, aber nicht unbedingt ein Mangel an Leistungsfähigkeit oder Können mit sich bringt. Auch hier konnten eine verbesserte Gesundheit und Ernährung bei den Teilnehmenden festgestellt werden. Die Menschen steigerten außerdem ihren Besitz und ihre Investitionen. Die lokale Wirtschaft wuchs, die Bürger*innen gründeten Sparvereine und konnten langfristig besser planen und ihre Kinder besser versorgen.

Im Juni wurde in Spanien eine neue Grundsicherung eingeführt, die zwar erst beantragt werden muss, aber dann ein Einkommen von 450 bis 1000 Euro im Monat bereitstellen kann. Bedingungslos ist die monatliche Zahlung nicht, denn sie ist an mehrere Faktoren gebunden, wie Alter oder restliches Einkommen. Das Geld soll an Spanier*innen gehen, die mit einem Mindesteinkommen von 1.000 Euro auskommen müssen. Besonders die Coronakrise hat Spanien hart getroffen und rund 20% der Bevölkerung in Armut gestürzt. Das Grundeinkommen war schon vor dem Ausbruch des Coronavirus geplant, wurde aber jetzt schneller durchgesetzt. Die Pandemie forderte allein im März einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um rund eine Million  auf 3.5 Millionen Arbeitslose insgesamt. Das Geld für die Grundsicherung soll aus dem Staatshaushalt kommen und kann das Land rund drei Milliarden Euro pro Jahr kosten.

Auch in Deutschland tritt die Coronakrise erneut einen Diskurs über die Einführung des Grundeinkommens los. Michael Bohmeyer, der Gründer des deutschen Vereins „Mein Grundeinkommen“, sieht in der Pandemie, so die taz, aber auch eine Chance für das bedingungslose Einkommen: „Die Coronakrise hat wieder einmal gezeigt, dass wir in Deutschland nicht sehr krisenfest sind. Das Grundeinkommen wäre sinnvoller denn je, besonders wenn man bedenkt, dass sich in den nächsten Jahren durch die Digitalisierung unsere Arbeitswelt auch ohne Corona tiefgreifend verändern wird.“ Bohmeyer gründete seinen Verein 2014 und verschenkt mittels Losverfahren ein einjähriges Grundeinkommen. Die Finanzierung ist spendenbasiert und konnte bisher über 600 Menschen ein Grundeinkommen vermitteln.

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