Für viele Deutsche Autofahrer gilt ein Tempolimit als Tabu und löst Proteste und Klimadiskussionen aus. So hat der Vorstoß der Grünen erneut für Zündstoff gesorgt. Doch welche Argumente spielen bei der Tempolimit-Debatte eine Rolle?
Die Grünen sind mit ihrer Idee für ein Tempolimit auf Autobahnen gescheitert. Bei der namentlichen Abstimmung stimmten 489 Bundestagsabgeordnete für die die Empfehlung des Verkehrsausschusses, den Antrag abzulehnen. 126 Abgeordnete waren für den Antrag, insgesamt wurden 631 Stimmen abgegeben, wie über Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) mitgeteilt wurde. Doch Robert Habeck (Grüne) hat dem Nachrichtenportal „The Pioneer“ mitgeteilt, dass sie im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl ein Tempolimit auf Deutschlands Autobahnen einführen werden.
Doch ist es vorstellbar, dass eine Nation, deren Erfolg auf PS-starke Premiumfahrzeugen gründet, sich ein Tempolimit auferlegt? Deutsche Autos werden im Ausland wie USA oder China mit dem Marketingargument „autobahn-proofed“ verkauft. Doch seit dem Diesel-Skandal hat das Image der deutschen Ingenieurskunst gelitten. Dem Autofahrer leuchtet nicht ein, warum er auf freier Strecke plötzlich sein Tempo drosseln soll. Zudem führt die gleichbleibende Fahrweise dazu, dass sich die Autofahrer langweilen, dann ihr Großhirn abschalten – und Unfälle verursachen. Auch die Aggression beim Autofahrer nimmt dazu deutlich zu, wie ein Versuch in Schweden zeigt.
Doch hilft eine Reduzierung der Geschwindigkeit tatsächlich, den Klimaschutz zu fördern? Immer mehr Deutsche sind der Meinung, dass diese Maßnahme hilfreich sei: Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online.de sprechen sich derzeit 68,5 Prozent der Befragten für ein Tempolimit aus, die meisten davon bevorzugen ein Tempolimit von 130 km/h.
Die Umwelt würde durch die Einsparung von Klimagasen durch ein Tempolimit profitieren, ist das erste Argument. Mit dieser Begründung werben auch die Grünen. Doch hilft ein Tempolimit wirklich dem Klima? Tempo 130 könnte rund 1,9 Millionen Tonnen CO2-Emissionen jährlich einsparen, wie eine Studie des Umweltbundesamtes im Februar ergab. Somit würden ca. 5 Prozent der Treibhausgase reduziert werden, welche von Autos auf Deutschlands Autobahnen ausgestoßen werden. Ein Tempolimit mit 120 km/h würde sogar 6,5 Prozent einsparen, 100 km/h sparen gleich 13,9 Prozent ein. Das hört sich sehr viel an. Doch gemessen an Relationen wie den Emissionen von Flugzeugen und Schiffen beläuft sich ein Tempolimit von 130 km/h nur noch auf 1,4 Prozent. So sind die Tempolimit-Gegner der Meinung, dass es gar keinen messbaren Erfolg hätte, die Geschwindigkeit zu reduzieren.
Was kann außer einem Tempolimit den CO2-Ausstoß verringern? Sollten Verbrenner wie Diesel und Benziner durch alternative Antriebe wie E-Autos ersetzt werden, könnten sich die Emissionen um eine Million Tonne CO2 verringern.
Tempolimit-Befürworter argumentieren zudem, dass eine geringere Höchstgeschwindigkeit dazu führt, dass die Zahl der Verkehrstoten auf Autobahnen reduziert wird. Im Bundesland Brandenburg wurde eine Studie zur Geschwindigkeitsdrosselung durchgeführt, wo auf einem Streckenabschnitt von 65 Kilometern ein Tempolimit von 130 km/h eingeführt wurde. Dabei konnte eine Reduzierung der Verkehrstoten um 20 bis 50 Prozent beobachtet werden. Tatsache ist außerdem, dass sich bei hohem Tempo der Reaktionsweg, der Bremsweg und die Wucht des Aufpralls erhöht. Doch das Statistische Bundesamt hat Zahlen erhoben, welche nicht auf einen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Unfalltoten schließen lassen: 60 Prozent der tödlichen Unfälle passieren auf Landstraßen, nur 12 Prozent der Verkehrstoten gibt es auf Autobahnen.
Somit kommen statistisch gesehen in Deutschland auf eine Milliarde gefahrener Kilometer nur 3,1 Tote, wobei es in unserem Nachbarland Österreich 4,8 Tote sind. Auch in den USA sind es 5 Tote pro eine Milliarde Kilometern – und in beiden Ländern gelten bereits Tempolimits bis zu 130 km/h. Einleuchtend, denn auf diesen meist geraden Streckenabschnitten gibt es keine Fußgänger, Kurven, Bäume oder Radfahrer. Doch für eine gesicherte Aussage zu positiven Effekten des Tempolimits fehlen großangelegte Studien.
Oft ist es nicht die erhöhte Geschwindigkeit, welche Unfälle verursacht, sondern die Unfähigkeit der Autofahrer sich veränderten Wetterbedingungen wie Glatteis, Regen oder starkem Wind anzupassen. Ursächlich sind demnach oft „unangepasste Geschwindigkeit“ für tödliche Unfälle.
Ist es vertretbar auf Basis dieser Zahlen den Bürgern die Eigenverantwortung abzunehmen? Daten zeigen, dass die meisten Deutschen sowieso auf der Autobahn in einem moderaten Tempo fahren und nur eine Minderheit rast. Tempolimit-Befürworter legen außerdem das Argument vor, dass langsameres, gleichmäßigeres Fahren die Kapazität auf den Autobahnen für mehr Autos erhöhen würde und Staus reduziert. Das ist jedoch ein Mythos, denn eher helfen flexible Tempoleitsysteme wie „dWiSta“, welche als ein „dynamischer Wegweiser mit integrierten Stauinformationen“ den Autofahrern anzeigt, ob die Autobahn frei oder durch einen Stau blockiert ist.
Diese sog. dynamische Verkehrsregelung führt dazu, dass sich der Fahrfluss verbessert: so gibt es manchmal ein Überholverbot für LKWs auf zweispurigen Autobahnen oder eine Geschwindigkeitsbegrenzung während der Rushhour. Auch der ADAC ist der Meinung, dass statt eines Tempolimits eher intelligente Schilder angebracht wären, wenn Wetter oder Verkehrslage es erfordern. Wie schnell wird in Zukunft auf Deutschlands Straßen gefahren? Immer öfter werden die Onboard-Systeme der Autos ihre Fahrer vorwarnen, dass in 20 km ein Stau zu erwarten ist, damit er nicht mit 150 km/h in das Stauende hineinrast. Diese Systeme werden die Sicherheit auch ohne eine Drosselung des Tempos erhöhen. Auf diese Weise bleibt Deutschland weiterhin das einzige Land ohne generelles Tempolimit.