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Modehaus Gerry Weber: Lange nichts gehört, dafür jetzt viel Schlechtes

Es scheint nicht zu genügen, Jahr für Jahr ein großes internationales Tennisturnier auszurichten, denn mittlerweile sind die Aktien beim Damen-Modehersteller aus Halle deutlich gefallen und das Unternehmen wandelt am finanziellen Abgrund. Schuld sind nicht nur die gigantischen Verpflichtungen, die Gerry Weber und sein Filius in Form von Schuldscheinen angehäuft haben, sondern auch der fehlende Rückhalt durch Kunden und Geschäftspartner. Schuldscheindarlehen in Höhe von etwa 190 Mio. Euro müssen zwischen 2018 und 2025 an die Investoren zurückgezahlt werden. Die Modemarke selbst ist auch kein großer Name mehr und scheint ein ähnliches Schicksal zu nehmen wie Hugo BOSS. Wenn die Attraktivität sinkt, fängt das Schiff an zu schlingern. Die Aktie des Unternehmens ist seit einem Jahr auf Talfahrt mit einem Verlust von über 56 Prozent. Derzeit notiert sie um 4,50 Euro, zu wenig, um neue Anleger anzusprechen. Dabei muss dringend frisches Geld her. Die Gläubiger der Schuldscheine haben wenig Vertrauen, sie stoßen ihre gleichnamigen Papiere mit 30 prozentigem Verlust ab, um zu retten, was noch zu retten ist.

Schulden türmen sich

Ernst F. Schröder (70), Aufsichtsratschef der Modekette Gerry Weber, ist ein auf Ausgleich bedachter Manager. Das war schon zu seinen Zeiten als persönlich haftender Gesellschafter von Oetker so. Doch dort ging es im Vergleich zu dem Bekleidungshaus vornehm zu — bei Gerry Weber wütet insbesondere der stellvertretende Vorsitzende Gerhard Weber (77) im Kontrollgremium gegen Vorstände, nicht selten trifft es Sohn und CEO Ralf (54). Seit 2015 fallen die Erlöse, im laufenden Geschäftsjahr (Ende: 31. Oktober) liegen sie bestenfalls noch bei 840 Millionen Euro; geplant waren knapp 900 Millionen. Die jüngste Gewinnwarnung im Juni schloss einen operativen Verlust nicht aus. Langsam wird es gefährlich, denn die Firma ist hoch verschuldet. Im November muss ein Schuldscheindarlehen in Höhe von 31 Millionen Euro zurückgezahlt werden, in den nächsten Jahren sind weitere Obligationen und Bankverbindlichkeiten von mehr als 187 Millionen Euro fällig.

Viele Gläubiger rechnen offenkundig nicht mehr damit, dass Gerry Weber aus dem Dilemma herausfindet. Die Schuldscheine werden mit einem Abschlag von bis zu 30 Prozent angeboten. Auch der Kurs verfällt zusehends, Spekulanten wetten mit Leerverkäufen gegen Gerry Weber. Im Frühjahr flog der frühere MDax-Wert sogar aus dem S-Dax. Nötig wären neue Investoren, doch die Familie ist ihnen zu zerstritten — und zu dominant. Der Modefilialist gehört zu 33,5 Prozent Vater und Sohn Weber. Weitere 17,5 Prozent liegen beim Hardieck-CIan, dessen vor Kurzem verstorbener Patron die Firma gemeinsam mit Gerhard Weber gegründet hatte. Hardieck und Weber machten aus dem Hosenhersteller einen der bekanntesten deutschen Spezialisten für Damenbekleidung. Doch das Tempo, in dem Gerry Weber eigene Läden eröffnete, war zu rasant. Die vielen Filialen kannibalisierten sich gegenseitig und verärgerten andere Händler, die ebenfalls Gerry-Weber-Ware im Sortiment führten. Obendrein verloren die Kollektionen an Attraktivität.

Die Krise dauert seit 4 Jahren an

Das erfolgsverwöhnte Unternehmen stürzte in eine schwere Krise. Ende 2014 wechselte Gerhard Weber von der Konzernspitze in den Aufsichtsrat, der Senior mischt sich aber immer noch ins Tagesgeschäft ein. Weberjuniormuss sich mit den Altlasten herumschlagen — wie mit dem 90 Millionen Euro teuren Logistikzentrum. Die Halle ist für einen jährlichen Durchsatz von rund 37 Millionen Kleidungsstücken ausgelegt, etwa ein Drittel mehr als nötig. Bei der letzten Sparrunde, die bis Anfang 2018 lief, wurden zwar Läden geschlossen und Arbeitsplätze abgebaut, die Lage verschlechterte sich trotzdem. Insider gehen davon aus, dass auch eine im Sommer neu eingeläutete Restrukturierung keine entscheidende Besserung bringt. „Das Unternehmen hat mittelfristig nur noch eine Chance: Die Tochter Hallhuber muss verkauft und das gesamte Filialgeschäft eingestellt werden“, sagt ein ehemaliger Topmanager. Übrig bliebe dann nur die Belieferung von Warenhäusern und Fachhändlern — wo Gerry Weber noch bescheidene Gewinne erzielt. Schon verlassen massenweise Manager den trudelnden Hersteller. Die zweite Ebene musste nahezu komplett ersetzt werden, im Leitungsgremium sieht es nicht anders aus. Im Juni 2017 floh Retail-Vorstand Norbert Steinke (57), einige Monate später folgte ihm CFO David Frink (45). Er wurde durch Jörg Stüber (49) ersetzt. Vor ein paar Wochen verabschiedete auch der sich wieder. Viele Führungskräfte gingen, weil sie der autoritäre Managementstil von Ralf Weber abschreckte. Wie der Vater, so der Sohn.

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