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Warum Afrika weniger vom Corona-Virus betroffen ist aber trotzdem unter ihm leidet

Weltweit gibt es mittlerweile über 21 Millionen Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Der gesamte Kontinent Afrika ist gerade im Vergleich zu Europa und den USA bis jetzt relativ mild durch die Krise gekommen. Bis jetzt sind nur 47 afrikanische Länder von insgesamt 54 durch das Virus betroffen und konnten eine Fallzahl von rund einer Million bestätigter Fälle verzeichnen mit rund 25.000 Toten. Wie kommt es dazu, dass ein Kontinent, der oft unter humanitären Krisen leidet, gerade jetzt weniger Todesfälle und Infizierte verzeichnet?

Laut der Organisation Welthungerhilfe ist die Dunkelziffer der Corona-Fälle in vielen afrikanischen Ländern hoch, da aus Kostengründen wenig Corona-Tests zur Verfügung stehen. Auch die Daten könnten teilweise fehlerhaft oder mangelhaft sein, da der „Gesundheitssektor in Sub-Sahara Afrika“ teilweise unzureichend ist. Anders als in Europa wurde seit dem Ausbruch der Pandemie in den afrikanischen Ländern mehr und großflächiger nach dem Virus getestet und entsprechend gehandelt. Auch die Bevölkerungsstrukturen unterscheiden sich stark von denen im globalen Westen. Das durchschnittliche Alter der afrikanischen Bewohner*innen liegt bei 20 Jahren. Der durchschnittliche EU-Bürger und die durchschnittliche EU-Bürgerin sind mehr als doppelt so alt mit rund 43 Jahren, so der österreichische Rundfunk (ORF). Jüngere Menschen sind weniger von dem Coronavirus betroffen, zeigen weniger Symptome und es ist im Allgemeinen unwahrscheinlicher, dass sie daran sterben. Bertrand Lell, ein Tropenmediziner der Medizinischen Universität Wien, vermutet außerdem, dass ein gedämpftes Immunsystem bei der Ansteckung von Covid-19 einen Vorteil bietet. In vielen afrikanischen Ländern leiden die Bewohner*innen seit ihrer Kindheit an verschiedenen Wurmerkrankungen, was die Immunreaktion dämpft und im Falle einer Corona-Infektion hilfreich sein könnte. Denn bei Fällen des Coronavirus zeigte sich immer wieder, dass „eine überschießende Immunreaktion zu einem schweren Krankheitsverlauf bzw. zum Tod führen“ kann, so der ORF. Ob das Immunsystem wirklich etwas mit den geringeren Fallzahlen zu tun hat, ist aber bisher nur eine Vermutung, die noch nicht mit konkreten Beweisen unterlegt wurde. Covid-19 breitete sich außerdem zuletzt auf dem afrikanischen Kontinent aus, weswegen die Behörden und Krankenhäuser sich dort schneller auf eine mögliche Krise vorbereiten konnten.

 

All das sind Erklärungen und Theorien für die vergleichsweise geringen Coronafälle auf dem Kontinent. Doch abseits der wenigen Neuinfektionen leidet vor allem Zentralafrika unter einer weiteren Pandemie, die wenig Öffentlichkeit genießt. Obwohl in Europa und im gesamten globalen Westen die Masern durch Impfstoffe stark an Grausamkeit und Todeszahlen verloren haben, sieht das in vielen afrikanischen Ländern momentan ganz anders aus. Die Coronapandemie verdrängt das Leid, welches durch Masern entsteht von der Bildfläche und begünstigt einen „Rückfall in finstere Zeiten“, so die Frankfurter Allgemeinen Zeitung (faz). Der Lieferprozess für den Impfstoff wird unterbrochen, da sich vermehrt auf die Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19 Virus fokussiert wird. Massenimpfungen gegen Masern, Cholera, Tetanus, Kinderlähmung und einige andere Krankheiten finden vorerst nicht mehr statt, um Menschenansammlungen möglichst effektiv zu umgehen. Vor allem Nigeria hat stark mit der Ausbreitung von Masern zu kämpfen. Insgesamt leben rund 30% aller Kinder ohne Grundimmunisierung in dem Land. Die faz bestätigt auch, dass Labore, die eigentlich für die Untersuchung von HIV und Tuberkulose verwendet werden „zurzeit fast nur noch für Corona-Tests im Einsatz“ sind. Henrietta Fore, die Chefin des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), bringt es auf den Punkt: „Wir können nicht eine Gesundheitskrise gegen eine andere tauschen.“

Doch nicht nur Krankheiten, sondern auch Hungerskatastrophen zehren stark am Großteil der afrikanischen Bevölkerung. Die Welternährungsorganisation befürchtet, dass sich die Anzahl der Menschen, die an Hunger leiden, aufgrund des Corona-Virus verdoppeln kann. Die Coronapandemie drängt also nicht nur den Kampf gegen diverse Krankheiten wie Masern, Cholera oder HIV enorm in den Hintergrund, sondern sorgt auch dafür, dass viele Arbeiter*innen ihren Job verlieren und so ihre Familie nicht mehr ernähren können. Afrika leidet also nicht auf die gleiche Weise wie Europa, Nord- und Südamerika unter der Krise, sondern muss mit ganz anderen Corona bedingten Problemen kämpfen.

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