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Briefe an die Kanzlerin – Der Handel fordert sofortige Unterstützung

Durch die Lockdown-Verlängerung wird die Wiedereröffnung der Geschäfte bis Ende Januar verzögert. Hinzu kommen finanziellen Engpässe durch den Lockdown aus dem vergangenen Jahr. Die Regierung hatte Corona-Hilfen versprochen, doch bislang ist noch nichts bei den Beteiligten angekommen. Händler in ganz Deutschland sind sauer und haben Briefe an die Bundeskanzlerin geschickt.

Mit den Briefen an die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) möchte der Einzelhandel auf die erneut drohende Pleitewelle in der Branche aufmerksam machen. Gefordert werden schnelle, unbürokratische Corona-Hilfen, um den Lockdown zu überbrücken. „Der Bundesfinanzminister kündigt vollmundig und ohne Unterlass Milliarden Staatshilfen an – ohne Wirkung für den Einzelhandel!“, hieß es in dem „Brandbrief“ des Handelsverbandes Deutschland vom 7. Januar 2021. „Eindringlich bitten wir Sie darauf hinzuwirken, dass Vizekanzler Scholz für die Bundesregierung das Wort einlöst und die Finanzhilfen unkompliziert, schnell und auch tatsächlich im Handel ankommen.“

Weiterhin kritisieren die Verfasserinnen und Verfasser, dass die versprochenen Finanzhilfen nicht bei den Händlern ankommen. Besonders der von den Schließungen betroffene Einzelhandel stehe aus diesem Grund ohne Zukunftsperspektive und vor eine akuten Existenzkrise. Der Handelsverband Bayern (HBE) verlangt eine „schnelle und spürbare Anpassung der staatlichen Unterstützung“. Die Forderung: Eine Gleichbehandlung mit den Gastronomen. Ihnen würden 75 Prozent der Umsatzverluste erstattet werden. Ähnlich soll es auch bei den Händlern gehandhabt werden. „Es ist ein Skandal, dass der Handel in der Krise weiter allein gelassen wird. Denn die in der Vergangenheit groß angekündigten Milliardenhilfen für den stationären Handel kommen nicht zur Auszahlung“, kritisierte der HBE-Präsident, Ernst Läuger, in einer Pressemitteilung vom 5. Januar 2021.

In einem Brief an den Bundesfinanzminister hieß es: „Wir haben Sie und die Bundesregierung schon mehrfach auf die desaströse Lage des Einzelhandels im Lockdown aufmerksam gemacht und um kurzfristige notwendige Nachbesserungen bei den Wirtschaftshilfen gebeten. Dies scheint alles ungehört zu verklingen und uns wird zugetragen, dass Sie geradezu auf der „Bremse“ stehen.“ Die Forderung ist eindeutig: „Halten Sie Ihr Wort und sorgen Sie dafür, dass noch im Januar Unterstützungszahlungen im Einzelhandel ankommen!“

Auch Jürgen Neumair, Leiter eines mittelständischen Unternehmens in Bergkirchen, ist wütend und verzweifelt. In seiner Firma für Aufzugbau beschäftigt er 150 Mitarbeiter. Bislang konnte er auf die finanziellen Rücklagen seiner Firma zurückgreifen, aber auf lange Sicht macht er sich Sorgen. Als „typischer Vertreter“ des Mittelstands sichere er seit Jahrzehnten Arbeitsplätze sowie stetige Steuereinnahmen, hieß es in seinem Brief an die Bundeskanzlerin. „Gleichzeitig möchte ich mich nicht in der Situation wiederfinden, in der ich mich zwischen der Sicherung meiner eigenen Zukunft und der Verantwortung gegenüber Hunderten Mitarbeitern entscheiden muss – doch genau dazu könnte mich die aktuelle Corona-Politik bald zwingen.“ Neumair fühle sich „wie auf dem Beifahrersitz“ seines Unternehmens, ohne den Fahrer und die Fahrtrichtung zu kennen.

Auch Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nord, Dierk Böckenholt, und Inhaber von Einzelhandelsgeschäften in ganz Norddeutschland warnt vor der dramatischen Situation. „Es ist fünf nach zwölf“, sagte Böckenholt. Der Einzelhandel (ohne Lebensmittel) habe im vergangenen Jahr aufgrund des Lockdowns Umsatzeinbußen in Höhe von 36 Milliarden Euro erlitten. Wenn nicht bald die angekündigten Corona-Hilfen kommen, „gehen bei vielen die Lichter aus“. Im letzten Jahr seien nur 90 Millionen Euro an Corona-Hilfen vom Staat ausgezahlt worden. Das entspricht lediglich 0,25 Prozent des Umsatzverlustes – „ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Böckenholt.

Scholz stellte 11 Milliarden Euro monatlich für den Einzelhandel in Aussicht. Allerdings seien die Hürden so hoch, dass viele Einzelhändler die Corona-Hilfe nicht beantragen könnten. Zum jetzigen Zeitpunkt würden 11 Milliarden in einer Woche vieles bewirken können. Nach einer Verbandsumfrage sehen sich 64 Prozent der Innenstadthändler in ihrer Existenz bedroht. Am schlimmsten ist es für Geschäfte mit Schuhen/Lederwaren (82 Prozent) und Bekleidung/Textilien (76 Prozent).

Um den Einzelhändlern effektiv helfen zu können, ist eine schnelle und einfache Beantragung der Hilfen notwendig. Bislang sind die Bedingungen für die Überbrückungshilfe noch nicht einmal klar geregelt. Die Bezahlung der Fixkosten in inbegriffen, doch unklar sei, ob auch ein Gehalt für die Inhaber vorgesehen ist. Immer mehr Einzelhändler schilderten, dass ihre Rücklagen aufgebraucht seien. Der Brief von Jürgen Neumair wurden vom Bundeskanzleramt an das Wirtschaftsministerium verwiesen – aus seiner Sicht ein „Armutszeugnis“. „Ich habe nie erwartet, dass mir die Kanzlerin – oder das BKA – persönliche antwortet. Ich habe nur erwartet, dass mein Brief ernst genommen wird.“

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