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„Freedom Day“ in Großbritannien

In Großbritannien sind alle Corona-Maßnahmen aufgehoben worden. Die zunehmende Ausbreitung der Delta-Variante in UK schien dabei kein Hindernis. Für die Wirtschaft ein Hoffnungsschimmer. Derweil wird Johnsons Corona-Management scharf kritisiert.

Auf diesen Tag haben die Engländerinnen und Engländer gewartet – der „Freedom Day“. In der Nacht von Sonntag auf Montag wurden sämtliche Corona-Restriktionen aufgehoben. Das bedeutet: Das Tragen einer Maske ist keine gesetzliche Vorschrift mehr. Gleiches gilt für die Abstandsregelungen in Restaurants, Kinos oder anderen öffentlichen Orten. Große Veranstaltungen wie Konzerte oder Hochzeiten dürfen wieder ohne Obergrenze stattfinden. Für die Wirtschaft ist das Ende der Corona-Maßnahme beinahe schon ein transzendenter Schritt. Insbesondere die Gastronomie kann nach dem wirtschaftlichen Tief endlich wieder Hoffnung schöpfen. In den vergangenen Monaten musste zahlreiche Betriebe Insolvenz anmelden. Diejenigen, die den Lockdown überlebt haben, kämpfen bangen um ihre Existenz. Doch mit dem „Freedom Day“ könnte sich das Blatt wieder wenden.

Mit Blick auf das Infektionsgeschehen erscheint der „Freedom Day“ für viele nicht verantwortungsvoll. Die Zahl der Corona positiv Getesteten ist seit Juni wieder – teilweise mit mehr als 50.000 Infektionen in ganz Großbritannien. Epidemiologe Neil Ferguson rechnet fest damit, dass diese Zahl weiter ansteigen wird. „Ich denke, es ist fast sicher, dass wir bis 1000 Krankenhauseinweisungen täglich kommen werden“, so der Epidemiologe. Dies ist nur eine Schätzung. Die Zahlen können auch weit darüber hinaussteigen, was zu einer erneuten Überlastung des Gesundheitssystems NHS führen würde.

Der britische Premierminister Boris Johnson steht zu seiner Entscheidung. „Wann sollten wir es tun, wenn nicht jetzt?“ Mit Blick auf die Delta-Variante werden der kommende Herbst und Winter wieder schwierig. Johnson vertraut auf die Eigenverantwortung der britischen Bevölkerung, anstatt weitere Vorschriften zu machen. „Bitte, bitte seit vorsichtig“, warnte der britische Premier. Der „Freedom Day“ wurde also am vergangenen Sonntag um Mitternacht eingeläutet. Doch Johnson konnte den Tag nicht so genießen wie der Rest der Britinnen und Briten. Nachdem er Kontakt zu dem auf Covid19 positiv getesteten Gesundheitsminister Sajid Javid hatte, musste sich der britische Premierminister in „Selbstisolation“ begeben. Das NHS-Corona-Warnprogramm ordnet nach Kontakt zu positiv Getesteten die sofortige „Selbstisolation“ an.

Die Entscheidung den „Freedom Day“ nichtsdestotrotz einzuführen, wird vielerseits sehr kritisch betrachtet. Die Impfquote ist in Großbritannien zwar hoch. So haben bisher 88 Prozent der Erwachsenen eine Erstimpfung erhalten und bereits 68 Prozent auch schon die Zweitimpfung. Doch mit der dominierenden Delta-Variante und dem Ende der Corona-Restriktionen, scheint ein Abflachen oder Flachhaltung der Welle außer Reichweite. Experten zweifeln daran, ob die bisherige Impfquote ausreichen wird, um das Land vor einer neuen Infektionswelle zu bewahren.

Insbesondere Jugendliche seien kaum geimpft und dort grassiere die Delta-Variante nun vermehrt. Die britische Regierung orientierte sich dabei an der Einschätzung der Impfkommission und entschied sich gegen eine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche. Problematisch ist jedoch, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene den „Freedom Day“ ausgiebig gefeiert haben. In den Londoner Nachtklubs wurde der Countdown gezählt, bis um Mitternacht alle ihre Masken abnehmen und auf engstem Raum ihre neu gewonnene Freiheit zelebrieren konnten.

Das Ergebnis: Laut einem Bericht befinden sich derzeit rund 1,7 Millionen Britinnen und Briten in Selbstisolation, da sie Kontakt zu Infizierten hatten. Für die Gesellschaft und Wirtschaft wird dies zu einem ernsthaften Problem, da nun wichtige Arbeitskräfte immer wieder aufgrund der Isolationsmaßnahmen ausfallen. Restaurants müssen aufgrund des Personalmangels in den Sparbetrieb gehen. Der Einzelhandel muss zum Teil seine Geschäftszeiten kürzen. Es wird gefordert, die Pflichtquarantäne zu lockern, indem voll Geimpfte nach dem Kontakt mit einer infizierten Person das Haus verlassen dürfen, wenn sie sich regelmäßig testen lassen. In Gesundheitsberufen ist dieses Prozedere bereits eingeführt worden.

Pandemie und Normalität harmonieren bislang wenig miteinander. Der britische Premier muss für seine Entscheidung scharfe Kritik einstecken. So bezeichnete Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei die Pläne Johnsons als „rücksichtslos“. Johnsons eigene Isolation am Sonntag sei für den Politiker ein weiterer Beweis für das „Chaos“ im britischen Corona-Management.

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