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Die Geschichte und Zukunft der Anti-Baby-Pille

Am 18. August 1960 wurde die Anti-Baby-Pille in den USA erstmals eingeführt. Heute gehört sie selbstverständlich zum weitverbreiteten Repertoire an Verhütungsmethoden, doch damals sorgte sie für die sexuelle Befreiung vieler Frauen. 60 Jahre später wird sie immer noch häufig verwendet doch stößt seit einigen Jahren auf sehr viel Kritik. Auch über eine Pille für den Mann wird immer wieder diskutiert.

Das erste Konzept für eine Pille als Verhütungsmethode gab es bereits in den 1921er Jahren, von dem Physiologen Ludwig Haberlandt, dessen Überlegungen allerdings nie praktisch getestet werden konnten. Ab dem Jahr 1943 gab es dann erste Testarbeiteten mit einem Hormonpräparat vom Gynäkologen Carl Clauberg, der im Konzentrationslager Auschwitz im sogenannten Block 10 forschte. Bis heute gilt seine Forschung als Wegbereiter für die Anti-Baby-Pille, doch der Bezug zu seinen Versuchen in Auschwitz wird oft ignoriert. Anfang der 50er Jahre entwickelten schließlich die Ärzte John Rock, Gregory Pincus und Carl Djerassi eine Pille, die Frauen wie eine Kopfschmerztablette schlucken können. Unterstützt wurden sie von der US-amerikanischen Krankenschwester und Frauenrechtlerin Margaret Sanger, die ihren Traum von einer einfachen Verhütungsmethode „mit größter Beharrlichkeit durchgezogen“ hat, so Gert Wlasich, ein damaliger Unternehmenshistoriker der Firma, welche die erste Anti-Baby-Pille auf den europäischen Markt gebracht hatte – im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Das Präparat der Ärzte wurde anschließend an Frauen aus Puerto Ricos Slums getestet. 1957 wurde es schließlich als Tablette gegen Menstruationskrämpfe in den Verkauf gelassen. Erst drei Jahre später kam „Enovid“ als Verhütungsmittel in die Apotheken. „Die Wissenschaft hat eine neue Methode der Geburtenkontrolle gefunden. Und sie wird im Laufe der Zeit nicht nur die Weltbevölkerung, sondern auch das Glück der Welt beeinflussen.“, hieß es damals im US-amerikanischen Fernsehen. Ein Jahr später war die Pille „Anovlar“ auch in der Bundesrepublik Deutschland und im restlichen Europa zu erhalten, die dort vorerst auf viel Kritik stoß. Papst Paul VI. deklarierte das Mittel zur „Todsünde im Ehebett“ und in Italien und Frankreich war es sogar strafbar in der Öffentlichkeit über Verhütung zu sprechen. Vorerst durfte die Verhütungspille nur an verheiratete Frauen mit drei Kindern ausgegeben werden. Dennoch erfreute sich die Anti-Baby-Pille einer extrem großen Beliebtheit und wurde von vielen Frauen als eine neue Art der Freiheit wahrgenommen.

Doch die Euphorie kam schnell ins Stocken. Viele Seiten kritisierten, dass die Frage der Verhütung immer noch Frauen-Sache sei. „Pille, Spirale, Ring oder Pflaster: Für Frauen gibt es zahlreiche hormonelle Verhütungsmethoden. Männer hingegen können nur zum Kondom greifen oder sich sterileren lassen“, so die Welt. Schnell wurde auch klar, dass ein täglicher hormoneller Eingriff mit der Pille für den Körper und die Psyche schädlich sein kann. Starke Nebenwirkungen sind üblich, wie Verlust der Libido, Übelkeit, Migräne oder Depressionen. Seit einigen Jahren wird außerdem an einer Pille für den Mann geforscht. In Kalifornien gab es eine vielversprechende Forschung, bei der die Männer das Hormon Testosteron verabreicht bekamen. Die Studie wurde allerdings abgebrochen, denn die Männer klagten über Nebenwirkungen wie Schwankungen in der Stimmung und der Libido, Akne oder Migräne. „Der Pearl-Index, mit dem die Sicherheit gemessen wird, war so gut wie bei der Pille für die Frau“, so Eberhard Nieschlag, der frühere Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie in Münster. Wirkung, aber auch Nebenwirkungen sind also ähnlich wie die Anti-Baby-Pille, die 1960 für Frauen entwickelt wurde. Es gibt vor allem in Deutschland zurzeit wenig Forschungen für weitere hormonelle Verhütungsmethoden, vermutlich weil die Studien sehr teuer sind und, weil die Pharmaindustrie kein Interesse daran hat. „Geld lasse sich anders besser verdienen“, so die Welt.

Jana Pfenning und Rita Maglio, die Gründerinnen der Initiative „Better Birth Control“ kritisieren in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dass immer noch wie vor 60 Jahren verhütet wird und, dass die Entwicklung stehen geblieben sei. Sie fordern eine Alternative zur Pille für die Frauen und kostenlose Verhütungsmittel. Auch Nieschlag ist der Überzeugung, dass es bald ein Verhütungsmittel für den Mann geben wird: „Die Nachfrage ist da und gender equality spielt eine immer wichtigere Rolle.“

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